Pendelbahn Mürren-Birg: Mit 60 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand

Nach 60 Betriebsjahren wurde die Luftseilbahn zwischen Mürren und Birg am Ostermontagabend eingestellt. Sie wird in den kommenden Wochen zurück gebaut und macht so der zweiten Spur der neuen Funifor-Bahn Platz. Die alte Bahn galt in mehreren Hinsichten als Pionierin im Seilbahnbau und verdient nun ihren Ruhestand.

Am 13. März 1965 wurde zwischen Mürren und Birg die Pendelbahn eröffnet. Ihr sechzigjähriges Bestehen wäre eigentlich ein Grund zum Zelebrieren; aber die Bahn hat ausgedient und darf nun in wohlverdiente Rente gehen. Am Ostermontag, 21. April 2025, fuhr sie zum letzten Mal aus den Stationen, bevor sie in den kommenden Wochen rückgebaut wird und damit dem Bau der zweiten Spur der neuen Funifor-Bahn Platz macht. Klein und bescheiden wirkte die alte Bahn über die vergangenen Wintermonate neben der bereits Mitte Dezember in Betrieb genommenen ersten Funifor-Spur. Auch mit ihren siebeneinhalb Minuten Fahrzeit konnte sie der zweieinhalb Minuten schnelleren Funifor während den vergangenen Monaten nicht mehr das Wasser reichen. Überdies wirkten die zwei Stützen sind im Vergleich zur massiven neuen Stütze verschwindend klein.

Seilbahntechnische Meisterleistung

Dabei musste sich die alte Pendelbahn keineswegs verstecken: Seilbahntechnisch als auch bautechnisch galt die Luftseilbahn während vielen Jahrzehnten als Meisterleistung. Die Linie erstreckt sich über 2779 Meter und wurden mit nur zwei Stützen bewältigt. Die maximale Seilfeldlänge, also der Abstand zwischen den Masten, wies eine für die Zeit der Erstellung beeindruckende Länge von 1941 Metern aus – jahrelanger Rekord! Wie bei den aktuellen Bauarbeiten an den neuen Seilbahnen, stellte das anspruchsvolle hochalpine Gelände die Macher auch damals vor grosse Herausforderungen. Trotzdem gelang ihnen einen gekonnten Dialog zwischen architektonischer Gestaltung und seilbahntechnischen Anforderungen. Die Formensprache ist einheitlich und die Stationsbauten massiv. Aus diesem Grund wurde die Bahn vom Seilbahninventar, welches vom Bundesamt für Kultur BAK 2011 ins Leben gerufen wurde, als technisches Denkmal aufgenommen und unter Schutz gestellt. Trotzdem muss sie nun der neuen Bahn weichen. „Es ist nicht zuletzt eine Altersfrage, dass wir auch diese Bahn ersetzen müssen“, erklärt Christoph Egger, Direktor der Schilthornbahn AG. „Das Seilbahninventar macht aber weiterhin Vorgaben. Wir sind gezwungen das nicht mehr benötigte alte Stationsgebäude aus Beton zu erhalten“, sagt Egger weiter. So wurde es bei der Planung kurzerhand in die neue Station aufgenommen und wird zu einem späteren Zeitpunkt in ein Restaurant mit herrlichem Ausblick auf das Dreigestirn umgebaut.

Pionierin in jeder Hinsicht

Umgebaut wurde in den vergangenen 60 Jahren auch die alte Bahn einige Male: 1982 wurden der Antrieb, die Steuerung sowie die Bremseinrichtung erneuert, 2003 die beiden Kabinen ausgewechselt. 2014 wurde die Steuerung komplett ersetzt. Trotz ihrer Zuverlässigkeit war auch diese Luftseilbahn nicht ganz vor Pannen gefeit: Ende Dezember 2004 führte ein Tragseilschaden zu einem zweimonatigen Unterbruch des Betriebs oberhalb Mürren. Der Mantel eines Tragseils riss – ein Vorfall, der in der Seilbahnbranche eigentlich als unmöglich galt. Wie später bekannt wurde, ging die Ursache auf einen Fehler bei der ersten Tragseilverschiebung im Jahr 1979 zurück. Als Konsequenz hat das Bundesamt für Verkehr im Anschluss eine Sonderinspektion an rund 130 Seilbahnen in der Schweiz angeordnet. Auch in diesem Fall war die Bahn Mürren-Birg also eine Art Pionierin.

An die Pionierleistung angeknüpft

Nach der Materialseilbahn Käthi von Stechelberg nach Mürren und der Luftseilbahn Birg-Schilthorn ist sie die letzte Bahn, die dem Neubau weichen muss. Lediglich ein paar Meter daneben entsteht über die Sommermonate die zweite Spur der neuen Funifor-Bahn. Ende November 2025 wird diese in Betrieb genommen und zusammen mit der ersten Spur bis zu 800 Personen pro Stunde befördern. Die beiden windstabilen, für je 100 Personen konzipierten Kabinen werden mechanisch unabhängig sein. Im Revisionsfall wird eine Fahrbahn stillgelegt und so einen Betrieb an 365 Tagen im Jahr ermöglichen. Im Normalbetrieb werden die beiden Fahrbahnen elektrisch gekoppelt und die Bahn als «klassische» Pendelbahn betrieben. An die Pionierleistung der alten Bahn wird direkt angeknüpft: Es sind die schweizweit ersten Bahnen des Typs Funifor. Auf dem internationalen Markt gilt die Bahn als technologisch einzigartig und rangiert in Sachen Sicherheit, Technik und Ökonomie ganz oben. Und was passiert mit den zwei ausgedienten Kabinen? Eine hat der Seilbahnhersteller Garaventa verkauft, die andere behält die Schilthornbahn und somit darf sie nach millionenfach transportierten Personen am Berg ihre wohlverdiente Ruhe geniessen.

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